Es ist Montagmorgen und du betrittst dein Unternehmen. Während du an den vielen verschiedenen Flächen zum agilen und kreativen Arbeiten vorbeiläufst, gehst du innerlich durch deinen Kalender. Meetings stehen auf dem Plan, schließlich sind sie der Hauptgrund, um heute ins Unternehmen zu kommen. Der Fokus eines Bürotages liegt auf Networking, Schulungen & Events, kreativer Erarbeitung in Workshops aber auch zur Entscheidung von kritischen Fragestellungen. Stillarbeit hingegen findet im Homeoffice statt, weshalb es auch keine klassischen Büros mehr gibt. Neue Technologien wie Robotics und KI helfen an jeder Ecke dabei, die Arbeit so unkompliziert wie möglich zu machen. Meine Dokumente und Arbeitsmittel liegen sowieso in der Cloud – die mittlerweile alle Versicherer nutzen. Weil viele Tätigkeiten durch kleine digitale Helfer (Robotics & AI) ersetzt wurden, nutzt du die gewonnene Zeit vor allem für deine Sabbatical-Tage, in denen du in Bereichen oder Branchen arbeitest, für die du früher keine Zeit hattest. Nächste Woche moderierst du deshalb einen Workshop für eine NGO – und freust dich schon jetzt darauf.

Der Blick auf die Arbeitswelt 2025 ff. benötigt vor allem eines: Den Mut, bereits heute mit den notwendigen Veränderungen zu beginnen. Die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die Rahmenbedingungen der Arbeitswelt sollten vor allem innerhalb Deutschlands – im internationalen Vergleich führend hinsichtlich eher traditionell organisierter Mittelständler – als einmalige Chance zur nachhaltigen und zukunftsgerichteten Veränderung verstanden werden. Die Perspektive auf die Arbeitswelt 2025 darf und kann kein Zurückdrehen auf den Pre-Covid-19-Zustand beinhalten. Wieso bedarf es einer so klaren Haltung beim Blick auf die Arbeitswelt von morgen?

  • Das Weltwirtschaftsforum hat es in seinem „Future of Jobs Report 2020“ plakativ beantwortet: Bis 2025 wird die Hälfte aller Angestellten aufgrund der Auswirkungen der Digitalisierung und weiter voranschreitenden Internationalisierung ein „Re-Skilling“, also das Erlernen neuer Fähigkeiten, benötigen. Die Expertisen der Mitarbeitenden verlieren in einem sich immer schneller verändernden Umfeld rapide an Wirksamkeit und so letztlich an (Unternehmens-) Wert. Versicherer tun deshalb gut daran, die Sinnsuche und den Gestaltungsdrang ihrer Mitarbeitenden zu fördern und herauszufordern, um sie bestmöglich für die Arbeitswelt von morgen aufzustellen. Flexible Arbeitszeit- und -raummodelle, die ein Work-Life-Blending ermöglichen, welches Arbeits-, Lern- und Erholungsphasen besser miteinander vereinbar macht, werden zum Herzstück einer neuen Unternehmenskultur. Das Weltwirtschaftsforum geht davon aus, dass Mitarbeitende rund ein halbes Jahr benötigen werden, um relevante neue Fähigkeiten zu erlernen. Eine explizite Förderung und Integration in die Arbeitszeitmodelle sollte von Unternehmen daher in den nächsten zwölf Monaten erarbeitet werden.
  • Die voranschreitende Digitalisierung heutiger Tätigkeiten wird Stellen teilweise oder ganz abschaffen, so dass Unternehmen nicht nur in der Verantwortung stehen, ihre Belegschaften mit dem notwendigen Wissen zur Interaktion mit digitalen Anwendungen vertraut zu machen, sondern auch an dieser Stelle tradierte Arbeitszeitmodelle überdenken sollten. Eine veränderte Nutzung der 40-Stunden-Woche zugunsten einer 4+1-Regelung, die neben operativer Arbeit gezielt Raum für persönliches Wachstum schafft, sollte in einer zukünftigen Arbeitswelt zum Standard geworden sein.
  • Der Erwerb Technologie-bezogener Fähigkeiten wird für den Großteil der Belegschaft von Unternehmen zu einem Teil des Tagesgeschäfts werden und keinen Endpunkt mehr kennen. Der „Future of Jobs Report 2020“ stellt daher vor allem auch Fähigkeiten für die Arbeitswelt 2025 in den Fokus, die die Anwendung technologischer Skills beflügeln und das Unternehmen zu einem resilienteren System werden lassen: analytisches Denken und Innovation, aktives Lernen und Lernstrategien, komplexes Problemlösen, kritisches Denken und Analytik, Kreativität gepaart mit Originalität und Eigeninitiative. Gerade diese Fähigkeiten entstehen nicht über Nacht und sind von essenziellem Einfluss auf die Geschäftstätigkeit in der Zukunft. Versicherer sollten sich daher nicht zur Etablierung eines Gegentrends zur im Rahmen der Covid-19–Pandemie aufgeflackerten Selbstorganisation von Individuen und Teams hinreißen lassen, da besonders solche Freiräume die vorgenannten Skills schulen und schärfen.

Wer sich an dieser Stelle von der Prognose überfahren oder überfordert fühlt, empfindet den positiven Schmerz der Veränderung. Es gilt ungewohnte Maßnahmen zu ergreifen, damit alle Mitarbeitenden ihren persönlichen Weg in die Arbeitswelt 2025 beschreiten können. Anstelle der hundertsten Variante von Operating Models lebendige, einander unterstützende Netzwerke zu schaffen und diese allen Mitarbeitenden zugänglich zu machen wird zur Königsdisziplin für Führungskräfte. Miteinander Lücken schließen, Erkenntnisse gewinnen und Wachstum schaffen – das ist der Auftrag, den die Arbeitswelt 2025 bereits heute an alle stellt. 17, 18, 19, 20, 21

 

Quellen:

17 Weltwirtschaftsforum (2020), https://www.weforum.org/agenda/2020/10/top-10-work-skills-of-tomorrow-how-long-it-takes-to-learn-them/

18 PwC (Pre-Covid-19, 2017), https://www.pwc.ch/en/publications/2017/the-way-we-work-hr-today_pwc-en_2017.pdf

19 Alexander Schimmelbusch (2018): Hochdeutschland

20 Marie-Christine Ostermann, Céline Flores Willers, Miriam Wohlfarth, Daniel Krauss, Andreas M. Rickert (2021): Zukunftsrepublik, 80 Vorausdenker*innen springen in das Jahr 2030

21 Frank Dopheide (2021): Gott ist ein Kreativer – kein Controller

 

 

Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Whitepaper „New Work: Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit“, das im Rahmen des Themas „Digitale Transformation >New Work<“ von unserer gleichnamigen Topic Group aufgesetzt wurde. Jetzt downloaden!

 

Nadine Ibel
berät im Provinzial Konzern zu den Themen Innovation und Transformation. In dieser Funktion macht sie „new ways of work“ gemeinsam mit internen Communities als Triebfeder für eine wertschätzende Innovations- und Unternehmenskultur erlebbar. Aus ihren vorherigen Stationen in der Sparkassen Finanzgruppe und der FUNKE Mediengruppe kann sie auf Erfahrungen im Umgang mit disruptiven Geschäftsmodellveränderungen zurückgreifen. Die theoretische Basis der New Work Expertin bilden Zertifizierungen als Scrum Master und Innovationsmoderatorin sowie ein spezialisierter Master of Science in Digital Innovation & Business Transformation.

Stefan Schmid
ist Senior Corporate Manager im InsurLab Germany und befasst sich in dieser Rolle mit den Innovationen und Innovationsbedarfen der Versicherungsbranche. In seiner Rolle koordiniert Stefan Eventinhalte, Topic Groups und Projekte des InsurLab Germany und beteiligter Partner mit dem Ziel, die Innovationskraft und Kooperationsfähigkeit in der Branche zu stärken.