Die Einführung von New Work ist im Kern ein kontinuierlicher und sehr grundsätzlicher Change Prozess, der große Teile der Unternehmen betrifft. Es greift daher zu kurz, New Work eindimensional als Implementierung moderner Technik, den Umbau von Gebäudeteilen oder nur die Zusammensetzung von Arbeitsgruppen zu betrachten. Der Change Prozess betrifft die Bereiche Bricks, Bytes, Behaviour & Prozesse und vor allem Leadership. Welche typischen Fehler beobachten wir?
Ein Klassiker: Kommunikation in das Unternehmen, dass alles Vorherige schlecht war und daher schnellstmöglich geändert werden muss. Klar: die Dringlichkeit für Veränderung gilt es aufzuzeigen. Doch radikale Brüche ohne einen Dialog mit der Belegschaft sorgen in der Regel für heftige und auch berechtigte Widerstände. Zumeist führen derartige Kommunikation und Alleingänge auch nicht zum langfristig gewünschten Ziel. Damit der Change dauerhaft gelingen kann sind hingegen Akzeptanz und Verständnis für die Veränderungen sehr wichtig.
Ein weiterer typischer „Anfängerfehler“ ist es, die Veränderung mit der Re-Organisation von Arbeitsplätzen zu beginnen. Auch wenn neue Möbel und eine futuristische Gestaltung den Anschein von New Work wecken, liegt der Kern neuer Arbeitsformen in der Unternehmenskultur. Fängt man am falschen Ende an, entsteht schnell der Schein einer modernen Kultur – die Haltung der Menschen ändert sich jedoch nicht. Eine vertane Chance, die sich im Nachgang nur mühsam heilen lässt.
Während sich die Fehler vermeiden lassen, gilt es bei der Einführung von New Work viele Hürden zu meistern. Es lohnt sich ausreichend Zeit und Geduld mitzubringen, denn New Work nachhaltig im Unternehmen zu verankern gleicht einem Marathon. Die erste Hürde für die Einführung von New Work liegt oft darin, den Grund für neue Arbeitsformen zu kommunizieren und die Teams als Mitstreiter zu gewinnen. Man setzt nicht auf New Work, weil es gerade im Trend ist. Gründe für New Work sollten offen kommuniziert werden. Zumeist gibt es auch Forderungen aus dem Kreis der Belegschaft, die attraktiv sind und aufgegriffen werden können. Dies erleichtert auch die Erzielung eines gemeinschaftlichen Commitments für die Umsetzung.
Eine weitere Hürde ist, den Mitarbeitenden Raum zum eigenen Ausprobieren zu lassen und dadurch Eigenverantwortung erlebbar zu machen. Ist Command & Control noch sehr verinnerlicht, fällt es Führungskräften schwer Verantwortung abzugeben. Ehemals Geführte vermissen hingegen die vermeintliche Klarheit hierarchischer Anweisungen. Empowerment und Selbstorganisation müssen schrittweise erlernt werden. Bei einem übermäßig harten Umschwung vom Micro-Management zur Eigenverantwortung der Mitarbeitenden kann sonst Überforderung und Ablehnung entstehen. Besonders ist hier Rücksicht auf ältere Generationen zu nehmen, da diese häufig seit vielen Jahren an die bisherige Arbeitsform gewöhnt sind. Rücksicht heißt allerdings nicht, Ausnahmen zu formulieren. Vielmehr sind Führungskräfte gefordert, bei der Suche nach geeigneten unterstützenden Maßnahmen nicht bereits beim ersten oder zweiten Versuch aufzugeben.
Des Weiteren ist für eine nachhaltige Veränderung wichtig, Grundlagenarbeit vorab zu leisten und nicht nur auftauchende Symptome zu bekämpfen. Es müssen weiterhin geregelte Rahmenbedingungen aufgezeigt werden. Diese ersetzen vormals starre Regeln und beugen möglichen negativen Begleiterscheinungen vor. Ein Beispiel hierfür ist die Entgrenzung des Arbeitsalltags, New Work einzuführen ist eine kollektive Lernerfahrung. Die Problematik durchgemachter Mittagspausen oder das Gefühl notwendiger durchgehender Erreichbarkeit wird immer wieder auftreten. Wichtig ist daher ein kontinuierlicher gemeinsamer Reflexionsprozess, um die individuell richtigen Antworten für die Menschen und die Organisation zu finden. Hierbei kann der gezielte Einsatz von Coaching auf allen Ebenen der Belegschaft den nötigen Raum zum Innehalten und Lernen schaffen.
New Work als Change Prozess zu begreifen, dem im Kopf der Führenden und Mitarbeitenden beginnt, ist eine der wichtigsten Wege, um Hindernisse zu vermeiden. Gleichfalls gehören Hürden zu jeder Veränderung dazu und sind wichtiger Bestandteil des agilen und iterativen Lernprozesses. Anfängliche Fehler können mit etwas Vorarbeit, Geduld und Vertrauen in das eigene Team wie auch in sich selbst vermieden und geheilt werden.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Whitepaper “New Work: Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit”, das im Rahmen des Themas „Digitale Transformation >New Work<“ von unserer gleichnamigen Topic Group aufgesetzt wurde. Jetzt downloaden!
Dr. Philipp Johannes Nolte
leitet den Bereich Change Management bei der Roland Rechtsschutz-Versicherungs-AG. In dieser Funktion ist er für die Gestaltung des „New Normal“ und mit dem Transformationsteam MOVE für den Kulturwandel im Unternehmen zuständig. Der ehemalige Produkt- und Innovationsmanager war vor seinem Wechsel zu Roland unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig. Außerdem ist der New Work Experte geprüfter Systemischer Coach, Resilienztrainer, Scrum Master und Product Owner sowie zertifizierter Online-Trainer, Innovationsmoderator und Facilitator.
Stefan Schmid
ist Senior Corporate Manager im InsurLab Germany und befasst sich in dieser Rolle mit den Innovationen und Innovationsbedarfen der Versicherungsbranche. In seiner Rolle koordiniert Stefan Eventinhalte, Topic Groups und Projekte des InsurLab Germany und beteiligter Partner mit dem Ziel, die Innovationskraft und Kooperationsfähigkeit in der Branche zu stärken.