“Cognigy sammelt 100 Millionen ein”, schrieb u. a. das Handelsblatt kürzlich. Eine eindrucksvolle Leistung unseres Start-ups! Und für uns ein hervorragender Aufhänger, mit Sascha Poggemann (Founder & COO von Cognigy) über die Auswirkungen dessen auf die Versicherungsbranche, die Rolle von KI auf Customer Experience sowie kommende Trends und Herausforderungen zu sprechen. Aber wir haben die Gelegenheit ebenfalls genutzt, um Sascha wertvolle Learning und Tipps für Start-ups zu entlocken. 

 

Sascha Poggemann (Founder & COO von Cognigy)

Sascha Poggemann (Founder & COO von Cognigy)

100 Millionen in Serie C – Herzlichen Glückwunsch zu dieser wirklich beeindruckenden Finanzierungsrunde! Könnt ihr uns verraten, wie ihr diese Investition nutzen wollt, um die Zukunft der Contact Center Automation zu gestalten? Welche besonderen Auswirkungen können wir für die Versicherungsbranche erwarten?

Vielen Dank! Die neue Investment-Runde ist ein großer Meilenstein für uns und wir sind stolz darauf, damit international in der ersten Liga der KI-Unternehmen mitzuspielen. Die neuen Mittel fließen vor allem in zwei Bereiche: Zum einen werden wir massiv in Software-Entwicklung investieren und unsere Technologieführerschaft rund um KI-Agenten weiter ausbauen. Zum anderen werden wir unsere globale Expansion beschleunigen. Für beides brauchen wir natürlich neue Mitarbeiter:innen, mit denen wir das starke Momentum nutzen, das uns die Finanzierung gibt.

Für die Versicherungsbranche bedeutet das konkret: Wir werden unsere Lösungen weiter optimieren und noch bessere User Experiences ermöglichen. Durch mehr vordefinierte Use Cases und Integration in Drittsysteme können wir die Time-to-Market für eine Reihe von Anwendungsfällen weiter verkürzen. Am Ende profitieren sowohl unsere Neukund:innen, also auch die bestehenden Kund:innen im Versicherungsumfeld.

 

Eure KI-Lösungen revolutionieren die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Kund:innen interagieren. Könnt ihr einige Beispiele dafür nennen, wie diese Technologien bereits heute die Effizienz und das Kund:innenerlebnis in der Versicherungsbranche verbessern?

Tatsächlich verfolgen wir mit unseren Kund:innen immer diese zwei Ziele: Bessere Experiences für Endkund:innen und optimierte Prozesse. Für die aktuelle Generation von KI-Agenten ist das kein Widerspruch – die Technologie ist weit fortgeschritten und das Feedback von Usern zeigt, wie gut es in der Praxis funktioniert. 

Generell ist Cognigy im Versicherungsumfeld, insbesondere im DACH-Raum, stark aufgestellt. Zu unseren Kund:innen gehören unter anderem ERGO und ARAG, bei denen KI-Agenten dabei helfen, Standardprozesse in Voice- und Chatkanälen zu automatisieren, was die Effizienz im Kund:innenservice deutlich erhöht – übrigens nicht nur auf Deutsch.

Ein weiteres Beispiel ist ein international führender Versicherer, der KI-Agenten zur Kundenauthentifizierung nutzt. Dadurch werden pro Anruf etwa 1,5 Minuten manuelle Bearbeitungszeit gespart, was bei Millionen von Anrufen jährlich zu erheblichen Kosteneinsparungen führt, aber auch den Kund:innen Zeit zurückgibt.

Auch bei der Bearbeitung von Schadensmeldungen kommen unsere KI-Agenten zum Einsatz. Sie authentifizieren die Anrufenden, erfassen automatisch alle notwendigen Informationen und leiten den Fall an die entsprechenden Mitarbeitenden weiter, was die Bearbeitungszeit verkürzt und die Kundenzufriedenheit verbessert.

Agent Copilot, unser Tool für Echtzeit-Unterstützung im Contact Center, bietet weiteres Potenzial: Automatische Antwortvorschläge, Wissensabfragen, Call-Zusammenfassungen – hier gibt es sehr viele Ansatzpunkte für KI-Unterstützung und die meisten Unternehmen stehen hier erst am Anfang der Journey.

 

Der Weg von der Idee bis zur erfolgreichen Umsetzung eines Produktes ist sicherlich voller Herausforderungen. Könnt ihr uns von einer besonderen Herausforderung oder einem einschneidenden Ereignis erzählen, das euch als Team geprägt hat? Wie habt ihr diese Situation gemeistert?

CognigyZweifellos einschneidend war der Launch von ChatGPT im November 2022 und die Veröffentlichung der darunterliegenden Sprachmodelle. Unser R&D-Team hat sich bereits zuvor intensiv mit LLMs auseinandergesetzt, aber der Qualitätssprung dieser Modelgeneration war dramatisch und hat viele Marktteilnehmende überrascht. Genauso massiv war übrigens der Einfluss auf Enduser – ChatGPT wurde über Nacht zum Benchmark für „humanlike experiences“, und das völlig zurecht.

Auf der einen Seite eröffnete das für uns technologisch völlig neue Möglichkeiten: Funktionen, die vorher kaum umsetzbar waren, waren plötzlich in Reichweite. Auf der anderen Seite stellt eine solche Umwälzung bestehende Konzepte und Planungen zur Disposition.

Wie sind wir damit umgegangen? Wir haben in extrem kurzer Zeit das gesamte Unternehmen hinter diesem Thema versammelt und uns voll darauf committed, LLMs für unsere Kund:innen in der Praxis nutzbar zu machen. Wir waren von Anfang an überzeugt, dass ein hybrides Konzept aus Conversational AI und Generative AI der Schlüssel zum Erfolg im Enterprise-Umfeld ist. Als erster großer Conversational-AI-Player haben wir Generative KI tief in unsere Plattform integriert und wenige Wochen nach dem ChatGPT-Launch an unsere Kund:innen ausgerollt. Dass wir damit richtig lagen, spiegelt nicht nur das positive Feedback unserer Kund:innen, sondern auch die Anerkennung der Analysten bei Gartner und Forrester wider.

 

Welche Trends und Technologien seht ihr für die kommenden Jahren? Wie bereitet sich Cognigy auf diese Herausforderungen und Chancen vor?

Eines ist sicher: Die Dynamik im Markt und die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts im AI-Umfeld wird weiterhin enorm hoch sein. Für uns bedeutet das einen Fokus auf Agilität, und zwar in allen Unternehmensbereichen, von R&D bis Vertrieb. Nur so können wir unseren Vorsprung in der Technologie, aber auch im Go-to-Market, halten. Auch mit einer deutlich gewachsenen Firma sind wir stark darin, eine Vision zu verfolgen und gleichzeitig schnell auf Veränderungen und auch Kund:innenanforderungen zu reagieren – das wird auch in Zukunft ein Erfolgsfaktor sein. Wir wollen ein Speedboat bleiben und kein Öltanker werden.

Abgesehen von Technologie werden uns natürlich weitere Themen beschäftigen: Unsere Kund:innen erwarten Lösungen und Kompetenz rund um den EU AI Act, für vordefinierte Lösungen wird noch mehr Branchenwissen benötigt, das Job-Profil für Contact Center Mitarbeiter:innen wird sich grundlegen verändern – um nur einige Trends zu nennen. Wir sind mit dem Funding bestens gerüstet, diese Trends aktiv zu gestalten und als Unternehmen weiter zu wachsen.

 

Was würdet ihr (angehenden) Gründer:innen empfehlen, die in der Tech- und Versicherungsbranche Fuß fassen wollen? Wie wichtig sind in dem Zusammenhang Innovations-Hubs und wie wirken sich solche Communities auf die Skalierung aus? Und gibt es bestimmte Learnings, die für euch besonders wertvoll waren?

Gründer:innen sollten sich intensiv mit den spezifischen Bedürfnissen und Herausforderungen der Versicherungsbranche auseinanderzusetzen. Der Markt ist stark reguliert und erfordert ein hohes Maß an Datenschutz und Sicherheit. Eine erfolgreiche Lösung muss daher nicht nur technologisch fortschrittlich, sondern auch compliance-konform und enterprise-fähig sein.

Innovations-Hubs und Tech-Communities sind enorm wichtig. Sie bieten Zugang zu Ressourcen, Mentoring und Netzwerken, die für die Skalierung entscheidend sind. In diesen Hubs kann man von anderen Start-ups lernen, sich gegenseitig unterstützen und potenzielle Investoren treffen. Das beschleunigt die Entwicklung und Markteinführung neuer Produkte.

Nicht zuletzt: Die enge Zusammenarbeit mit Kund:innen ist der Schlüssel, um Anforderungen genau zu verstehen und passgenaue Lösungen zu liefern. Bei uns ist das ein echtes “Geben und Nehmen”: Wir profitieren vom Konzern-Wissen unserer Kund:innen und gestalten unsere Lösung anhand von Praxis-Anforderungen. Und manchmal schafft es ein Feature-Wunsch dann innerhalb von Stunden ins Produkt, ohne jede Hürde. Langfristig sind glückliche Kund:innen nicht nur der wichtigste Umsatzfaktor, sondern auch die mit Abstand besten Unterstützer bei der Gewinnung neuer Kund:innen.

 

Lieber Sascha, vielen Dank für das Interview – wir wünschen euch auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg!