Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre gilt die Strategieplanung noch immer als Königsdisziplin, dient sie doch dazu, jedes Unternehmen mit einem Nordstern auszustatten, welcher die gesamte Organisation durch die Betriebstätigkeit leitet. Wie verhält sich eine Organisation gegenüber ihrer Umwelt? Welcher individuelle Fokus grenzt sie von Mitbewerbern ab, und welche Ressourcenallokationen bringen Wettbewerbsvorteile hervor? Auf alle diese Fragestellungen hält die Strategie klassischerweise eine Antwort für die Dauer von fünf bis zehn Jahren bereit – doch wie passt diese Herangehensweise noch zu einer Welt, die seit geraumer Zeit über VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) definiert wird?
Eine inhaltliche wie auch prozessuale Anpassung der Strategieplanung scheint von Nöten, um mit der rasanten Geschwindigkeit der sich verändernden Umwelt und den Konsequenzen Schritt halten zu können. Kontinuierliche Veränderung ist zu einem konstanten Teil der Unternehmensrealität geworden; es bedarf somit auch einer anpassungsfähigen Strategie, um eine resiliente Unternehmensführung zu ermöglichen. Wie kann dieser Kurswechsel gelingen? Durch Methoden, derer sich das Innovationsmanagement bereits bedient: Schwarmintelligenz und Adaptionsschleifen. Ersteres stellt sicher, dass mehr Perspektiven – und somit Chancen und Risiken – im Strategieprozess berücksichtigt und die Herausforderungen der Unternehmensumwelt besser beantwortet werden können. Letzteres schafft Raum für kurzfristige Anpassungen, die sich aus unvorhersehbaren Ereignissen wie der Corona-Pandemie ergeben können. Diese dem agilen Werteverständnis entlehnte Herangehensweise erfordert ein angepasstes Führungsverhalten, das der Belegschaft Raum gibt, einen Beitrag zur Definition des Unternehmenssinns, oder auch Purpose, zu liefern. Führungskräfte wandeln sich von Controllern zu transformativen Begleiter:innen, die durch ihre Arbeit den ihnen anvertrauten Menschen und in der Konsequenz dem gesamten Unternehmen eine zielgerichtete Veränderung ermöglichen.
Den kulturellen Wandel ins Zentrum der Business Strategie zu rücken, zahlt – unter Berücksichtigung der vorgenannten Perspektiven – auf die folgenden Ziele ein 4,5:
- Wird die Kultur aus dem starren gestrigen Korsett befreit und wird ihr eine gewisse Fluidität zugestanden, kann der Ressourcenabfluss für Overhead-Prozesse reduziert werden. Das Fördern und Zulassen von Selbst-Organisation entlastet die Führungskräfte und schafft Raum für die Arbeit an Zukunftsthemen. Mitarbeitende können ihre eigene Wirksamkeit auf Basis angepasster Kennzahlen (z. B. zur Förderung von Interaktions- und Entscheidungsprozessen) direkter erleben, was die Zufriedenheit steigern kann.
- Eine Flexibilisierung von Arbeits- und Unternehmenskultur kann sich positiv auf das Skill-Set der Belegschaft auswirken. Mit standortunabhängigen Tätigkeiten können Mitarbeitende gewonnen werden, die sich unter klassischen Bedingungen nicht beworben hätten. Dabei gilt es das Risiko der Talentflucht zu berücksichtigen: Ist die Flexibilisierung nur ein Lippenbekenntnis und bleibt die wertbasierte Anpassung der Unternehmenskultur aus, muss von einer erschwerten Retention ausgegangen werden.
- Das Recruitment von diversen Fach- und Führungskräften, deren Berufswege das Wissen der Organisation anreichern wird vereinfacht. Der Zugewinn an Vielfalt kann auf Themen wie die Steigerung der Innovationskraft und Produktivität einzahlen. Um die Wirksamkeit zu erhöhen werden neue Karrierewege benötigt, die „Fachführungsrollen“ und kreative Entlohnungssysteme fernab der klassischen Tarifgruppen zulassen.
- Mit angemessenen Rahmenbedingungen wie z. B. voreingestellten „besprechungsfreien“ Zeiträumen im Kalender, kann sich das „Blended Working“ positiv auf die Gesundheit der Mitarbeitenden auswirken. Durch die Flexibilisierung können Pausen- oder Sporteinheiten individueller gewählt werden, so dass sie förderlicher für den Einzelnen und in der Folge für die Resilienz des Unternehmens sind.
Resilienz ist das Herzstück der Auswirkungen von Kultur als Treiber der Business Strategie. Organisationsstrukturen, die schneller, effektiver und effizienter auf eine immer komplexere und volatilere Umwelt reagieren können, schaffen Sicherheit im Sinne klassischer Unternehmensziele. Für heutige Strategieplaner:innen hat sich der Auftrag somit nicht verändert, der Weg zum Ziel bedarf jedoch einer dringenden Adjustierung.
Quellen:
4 Sinek, S. (2021): The FUTURE of Remote Work, https://youtu.be/sK263xjkaFY
5 Sinek, S. (2021): How to Make a Cultural Transformation, https://youtu.be/N9d0NqSztWA
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Whitepaper “New Work: Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit”, das im Rahmen des Themas „Digitale Transformation >New Work<“ von unserer gleichnamigen Topic Group aufgesetzt wurde. Jetzt downloaden!
Nadine Ibel
berät im Provinzial Konzern zu den Themen Innovation und Transformation. In dieser Funktion macht sie „new ways of work“ gemeinsam mit internen Communities als Triebfeder für eine wertschätzende Innovations- und Unternehmenskultur erlebbar. Aus ihren vorherigen Stationen in der Sparkassen Finanzgruppe und der FUNKE Mediengruppe kann sie auf Erfahrungen im Umgang mit disruptiven Geschäftsmodellveränderungen zurückgreifen. Die theoretische Basis der New Work Expertin bilden Zertifizierungen als Scrum Master und Innovationsmoderatorin sowie ein spezialisierter Master of Science in Digital Innovation & Business Transformation.
Jaqueline Leist
ist gestartet im Kundenservice der INTER, war danach in der Projektleitung für die Kundenapp und das Kundenportal und ist nun in der Projektleitung für das Thema New Work bei der INTER.