In unserem Interview spricht Philip Knott, Gründer und CEO von Hayuno, über die strategische Neuausrichtung der Freeyou AG. Was einst als Kfz-Versicherungsassekuradeur begann, hat sich zu einem reinen Softwareanbieter unter neuem Markennamen entwickelt. Der Pivot wurde durch wirtschaftliche Herausforderungen im Kfz-Versicherungsmarkt und die wachsenden Möglichkeiten durch Automatisierung und KI motiviert.

Knott erklärt, wie interne Transformationen, technologische Innovationen und die Anforderungen des Marktes diesen Wandel vorangetrieben haben. Dabei bleibt die Versicherungsbranche klar im Fokus: Mit innovativen Softwarelösungen möchte Hayuno Effizienz steigern und die Kundenerfahrung nachhaltig verbessern. Ein spannender Einblick in die Entwicklung eines Vorreiters der Branche!

 

Strategische Entscheidung:

Was war der Hauptgrund für den Pivot von einem Versicherungsassekuradeur hin zu einem reinen Softwareanbieter?

In den letzten Jahren haben wir als Freeyou AG intensiv daran gearbeitet eine vollständig digitale Kfz-Versicherung zu schaffen. Dabei ist es uns gelungen außergewöhnlich hohe Automatisierungsquoten zu erreichen. Leider hat dies nicht ausgereicht, da die wirtschaftliche Situation im Bereich Kfz-Versicherung gerade sehr schwierig ist. Die hohen Ausgaben für Schäden führen zu operativen Verlusten, so dass wir entschieden haben, das Kfz-Geschäft einzustellen. Die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, möchten wir nun anderen Versicherern zu Verfügung stellen. Wir sehen die Möglichkeit, als Softwareanbieter, der mit innovativen Lösungen dazu beiträgt, die Effizienz und Kundenerfahrung in der Branche nachhaltig zu verbessern.

Gab es ein bestimmtes Ereignis oder Marktfeedback, das diesen Wandel ausgelöst hat?

Ein einzelnes Ereignis gab es nicht. Aber durch intensive Gespräche mit unseren langfristigen Partnern, haben wir immer mehr das wachsende Bedürfnis wahrgenommen, komplexe Prozesse effizienter zu gestalten.
Die Veröffentlichung der leistungsstarken LLMs wie z. B. ChatGPT und Claude hat uns einen zusätzlichen neuen Anstoß gegeben. Bei Freeyou haben wir schon hoch automatisierte Geschäftsprozesse gehabt. Aber vor allem in den Bereichen Kundenservice und in der Schadenbearbeitung gab es doch noch viele direkte Interaktion mit den Kund:innen. Die neuen KI-Modelle bieten in diesem Bereich nun auch die Möglichkeiten von hohen Automatisierung und einer hervorragenden User-Experience zu gleich.

Markt- und Branchenanalyse:

Wie hat sich die Versicherungslandschaft verändert, dass Sie zu dem Schluss kamen, eine reine Softwarestrategie sei erfolgversprechender?

Die Versicherungsbranche hat in den letzten Jahren einen tiefgreifenden Wandel durchlaufen. Zunehmend spielen digitale Technologien eine Schlüsselrolle, um den sich verändernden Kundenanforderungen gerecht zu werden. Verbraucher:innen erwarten heute schnelle, personalisierte Dienstleistungen und eine transparente Kommunikation mit ihren Versicherern. Gleichzeitig sehen sich Versicherungsunternehmen mit Herausforderungen wie hohen Kosten, langsamen Prozessen und einer Vielzahl von Regulierungen konfrontiert. Genau in den Punkten konnten wir in den letzten Jahren schon viele hervorragende Ergebnisse erzielen.

Welche Marktbedürfnisse oder Lücken haben Sie erkannt, die durch Ihre Software besser adressiert werden können?

Wir sehen immer noch Nachholbedarf in der Versicherungsbranche, was das Thema Digitalisierung betrifft. Hierzu gibt es kein Allheilmittel, sondern an vielen Stellen müssen die eingesetzten Lösungen zueinander passen. Vor allem in der Kundeninteraktion (wie z. B. der Telefonie oder der Beantwortung von Emails) wird noch viel durch Sachbearbeiter:innen erledigt. Hinzu kommen demografische Herausforderungen. Es fällt Versicherungen immer schwerer, alle ihre Stellen im Kundenservice zu besetzen. Hier kann generative KI eine echte Hilfe sein. Unsere Softwarelösungen bieten den Vorteil einer KI-gestützten Automatisierung, die es Versicherern ermöglicht, ihre Prozesse zu optimieren, schneller auf Marktveränderungen zu reagieren und ihre Angebote besser an die Bedürfnisse ihrer Kund:innen anzupassen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Verbesserung der Kundeninteraktion durch intelligente, personalisierte Kommunikationslösungen.

Interne Transformation:

Wie haben Sie die interne Organisation und die Teams auf den Pivot vorbereitet? Gab es kulturelle oder strukturelle Herausforderungen?

Der Pivot war ein sehr herausfordernder, aber auch sehr spannender Prozess. Wir mussten nicht nur unser Geschäftsmodell, sondern auch unsere Unternehmenskultur anpassen. Der Übergang von einem Assekuradeur hin zu einem Softwareanbieter erforderte eine neue Denkweise und neue Kompetenzen. Wir haben unsere Mitarbeiter:innen von Anfang an in den Prozess eingebunden. Um uns dem Thema generative KI zu nähern, sind wir sofort in den Bau einer ersten Software eingestiegen. Die Ergebnisse des Teams wurden dann regelmäßig den anderen Mitarbeitenden und unseren Stakeholdern präsentiert. Auch bei der Erarbeitung der neuen Marke “Hayuno” haben wir immer Teamvertreter involviert. Anfang September haben wir dann unsere Neuausrichtung dem gesamten Team vorgestellt und uns ausreichend Zeit genommen, diese Veränderung zu verstehen, selbst einzuordnen und sie mit den Kolleg:innen zu besprechen. Das ganze ist ein Prozess in dem wir uns immer noch befinden.

Technologische Perspektive: 

Welche Rolle spielen moderne Technologien wie KI, Cloud-Lösungen oder Automatisierung in Ihrer neuen Ausrichtung?

Für uns spielen die genannten modernen Technologien eine große Rolle. Seit Jahren setzen wir konsequent auf Cloud-Lösungen. Auch die Automatisierung von Geschäftsprozessen ist tief in unserer DNA verankert. Die neuen Möglichkeiten die KI und vor allem auch generative KI bietet, nutzen wir nun intensiv. Nicht nur jeder Mitarbeitende für seine eigene Arbeit, sondern wir wollen diese neuen technischen Möglichkeiten auch in Geschäftsprozessen nutzbar machen. Natürlich unter Beachtung aller regulatorischen Herausforderungen der Versicherungsbranche und datenschutzkonform. Unsere Lösungen sind darauf ausgelegt, diese Technologien miteinander zu kombinieren, um eine wirklich ganzheitliche und zukunftsfähige Softwarearchitektur zu bieten.

Sie fokussieren sich mit Hayuno auf die Versicherungsbranche. Warum sehen Sie insbesondere in dieser Branche das Potential von Einsatz dieser modernen Technologien?

Die Versicherungsbranche ist nach wie vor eine der am stärksten regulierten und gleichzeitig traditionellsten Branchen, was sie zu einem besonders spannenden, aber auch herausfordernden Sektor für Innovationen macht. Gerade hier bieten moderne Technologien wie KI und Automatisierung enormes Potenzial, um die bestehenden Prozesse zu revolutionieren. Mit den richtigen Werkzeugen können Unternehmen ihre Effizienz enorm steigern und gleichzeitig ihre Kund:innen besser verstehen und bedienen. Wir sehen auch, dass die Branche zunehmend erkennt, dass digitale Transformation nicht nur ein Trend, sondern eine Notwendigkeit ist, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher glauben wir, dass unsere Lösungen genau dort ansetzen, wo der Bedarf am größten ist – und das sowohl für große Versicherer als auch für InsurTech-Startups.

Kundengewinnung und Marktpositionierung:

Wie sind Sie bei der Umstellung von einem Endkundengeschäft (über Versicherungsprodukte) hin zu einem B2B-Softwaremodell vorgegangen?

Wie bereits oben beschrieben ist es eine große Herausforderung das komplette Geschäftsmodell von B2C auf B2B umzustellen. Zum Einen müssen wir parallel zu unserer Neuausrichtung auch noch den Kfz-Runoff begleiten. Dies bindet wichtige Ressourcen. Zum Anderen ist die Neukundengewinnung natürlich eine große Herausforderung. Hier setzen wir aktuell auf unser Netzwerk. In den letzten Jahren haben wir viele gute Kontakte geknüpft, denen wir aktuell unsere Neuausrichtung und unsere Softwarelösungen präsentieren.

Zukunft der Branche:

Welche Trends und Entwicklungen in der Versicherungsbranche werden Ihrer Meinung nach durch Softwarelösungen wie Ihre maßgeblich beeinflusst?

Ich glaube, dass die Versicherungsbranche in den kommenden Jahren von mehreren zentralen Trends geprägt sein wird, die durch Softwarelösungen wie unsere maßgeblich beeinflusst werden. Dazu gehört vor allem die zunehmende Automatisierung und die Nutzung von KI, um Prozesse zu optimieren und eine bessere Kundenerfahrung zu bieten. Auch die individuelle personalisierte Versicherungsberatung wird durch datengetriebenen Ansatz und KI-Algorithmen verstärkt werden.

Lerneffekte und Empfehlungen:

Welche Lehren haben Sie aus dem Prozess des Pivots gezogen, die Sie anderen Unternehmen in der Versicherungs- oder Softwarebranche mitgeben würden?

Eine der größten Lektionen aus dem Pivot war, dass es unglaublich wichtig ist, sich kontinuierlich mit den tatsächlichen Bedürfnissen der Zielkunden auseinanderzusetzen und flexibel auf deren Anforderungen einzugehen. Der Prozess des Pivots hat uns auch gezeigt, wie wichtig es ist, sowohl intern als auch extern eine klare Vision und Kommunikation zu etablieren. Gerade in Zeiten des Wandels können Missverständnisse und Unsicherheiten entstehen, und es ist entscheidend, alle Beteiligten auf das gleiche Ziel einzuschwören. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man bereit sein muss, auf dem Weg auch Fehler zu machen – wichtig ist nur, daraus zu lernen und nicht den Kurs zu verlieren.

Wenn Sie heute zurückblicken, würden Sie etwas anders machen?

Wenn ich heute zurückblicke, hätte ich ihn wahrscheinlich früher gestartet. Bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Branche verändert, ist es entscheidend, agil zu bleiben und schnell auf Marktanforderungen zu reagieren. Ansonsten würde ich sagen, dass wir auf dem richtigen Weg waren, und der Pivot war letztlich genau die richtige Entscheidung.

Lieber Philip, vielen Dank für das Interview – wir wünschen euch auf jeden Fall weiterhin viel Erfolg!